Ordnung und Unordnung – die zwei Gesichter eines Proteins

Neue Ergebnisse aus der Gruppe von Sarah Kinkley zeigen, wie ein epigenetischer Leser seine Fähigkeit zur Bindung an Chromatin reguliert

28. Juli 2025

PHF13 ist ein Protein, das epigenetische Modifikationen im Erbgut “lesen”und modulieren kann. Es ist an verschiedenen zellulären Prozessen wie Transkription, DNA-Reparatur und Zellteilung beteiligt. Wie es seine verschiedenen Funktionen jedoch genau ausübt, ist noch unklar. Ein Team um Sarah Kinkley hat nun in Zusammenarbeit mit den Labors von Martin Vingron und Denes Hnisz am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik (MPIMG) herausgefunden, dass sich PHF13 auf zwei verschiedene Arten zu komplexeren Strukturen zusammenfügt. Je nach Methode ändert das Protein seine Affinität, an Chromatin zu binden.

Die einfachsten Proteine bestehen aus einzelnen Aminosäureketten, die sich zu dreidimensionalen Strukturen falten. Größere Proteine bilden dagegen oft komplizierte Strukturen, in denen sich mehrere Proteinuntereinheiten zu Komplexen zusammenfügen. Dieser Schritt macht ein Protein häufig funktionsfähig und beeinflusst seine Eigenschaften sowie seine Wechselwirkungen innerhalb der Zelle. Das Labor von Sarah Kinkley hat zuvor die Domänen von PHF13 identifiziert, die es dem Protein ermöglichen, mit Chromatin zu interagieren. In ihrer aktuellen Studie fand das Team zwei verschiedene Mechanismen, durch die sich das Protein selbst zusammenfügt und die PHF13 dabei helfen, seine Chromatin-Wechselwirkungen zu modulieren. „Im Wesentlichen können wir nun zeigen, wie verschiedene Domänen die Funktion dieses Proteins bestimmen und welcher Mechanismus es ihm ermöglicht, verschiedene Funktionen innerhalb der Zelle auszuüben“, erklärt Francesca Rossi, Erstautorin der Studie, die ihre Promotion am MPIMG durchgeführt hat.

Neben den wichtigen N- und C-terminalen Domänen von PHF13 haben die Wissenschaftler*innen nun die intrinsisch ungeordneten Regionen des Proteins in den Fokus genommen. Diese Sequenzen kommen in etwa 40-50 Prozent des eukaryotischen Proteoms vor. Sie sind einzigartig, da sie keine eindeutige 3D-Struktur bilden, sondern verschiedene Konformationen annehmen können. „Wir konnten nachweisen, dass das Protein lange Oligomere mit abwechselnden DNA- und Histon-Bindungsdomänen bildet. Dies erhöht seine Chromatin-Affinität erheblich und hat phänotypische Konsequenzen“, erklärt Gruppenleiterin Sarah Kinkley. „Unabhängig von diesem Prozess haben wir jedoch festgestellt, dass die intrinsisch ungeordneten Domänen im Protein auch miteinander interagieren. Wenn diese Regionen aktiv sind, bildet das Protein biomolekulare Kondensate und hat eine schwächere Chromatin-Affinität.“

Die Wissenschaftler*innen verglichen die Auswirkungen der beiden Mechanismen auf das Chromatin und die Transkription. Sie zeigten, dass je nach Mechanismus unterschiedliche Transkriptionsreaktionen beobachtet werden können. Außerdem entdeckten sie bisher unbekannte Funktionen von PHF13. Bei Überexpression des Proteins in seiner oligomeren Form verdichtete es das Chromatin. Dieses Phänomen wird normalerweise nur während der Bildung von Chromosomen bei der Zellteilung beobachtet. Dies deutet auf eine bisher unbekannte Rolle von PHF13 in diesen Prozessen hin. Eine weitere neue Funktion von PHF13 betrifft einen der wichtigsten zellulären Prozesse, die Proteinsynthese. Ribosomale RNA, die von der RNA-Polymerase I (RNAPol I) transkribiert wird, ist ein wichtiger Baustein der Ribosomen. „Die spannendste Entdeckung war, dass PHF13 offenbar RNAPol I aktiviert und gleichzeitig RNAPol II unterdrückt“, sagt Sarah Kinkley. „Dies ist eine unerwartete Erkenntnis, die viele Fragen aufwirft. Unseres Wissens gibt es nicht viele Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie RNAPol I aktivieren und gleichzeitig RNAPol II unterdrücken.“

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