Zukünftige Wissenschaftsjournalisten interviewen Wissenschaftlerinnen
Girls‘ & Boys‘ Day 2024
Zum Girls‘ & Boys‘ Day haben vier Teenager unsere Wissenschaftlerinnen befragt, wie sie ihren Weg in die Wissenschaft gefunden haben und woran sie forschen.
Proteine aus dem Kochbuch
Interviewpartnerin: Katrina Meyer
Autoren: Ole Pichl und Finn Swedersky
Hallo Katrina, Du hast Biophysik studiert, warum hast du dich dafür entschieden?
Ich fand in der Schule alle Naturwissenschaften gut und hätte mir aber nicht vorstellen können, mich auf Biologie, Chemie oder Physik zu beschränken. Biophysik ist eigentlich eine Kombination aus allen Naturwissenschaften, das hat mich überzeugt.
Du hast unter Anderem in Italien studiert, warum gerade dort?
Ich war bereits nach dem Abitur als Aupair in Italien und fand das total toll. Ich wollte gerne mein Italienisch perfektionieren und habe daher die Chance genutzt, um dort einen Studienaustausch zu machen.
Später warst du auch in Japan, was genau hast du dort gemacht?
Nach meiner Doktorarbeit hatte ich eine Idee für ein neues Projekt und habe mich damit bei einer japanischen Wissenschaftsorganisation, der Japan Society for Promotion of Science, beworben, um mit einem japanischen Kollegen, den ich bereits kannte, in Kyoto an diesem Projekt zusammen zu arbeiten. Als ich für meinen Postdoc in die Schweiz gezogen bin, konnte ich an dem Projekt leider nicht mehr weiterarbeiten. Es wurde aber glücklicherweise in den letzten Jahren von einer anderen Doktorandin weitergeführt und erst in diesem Monat publiziert. So lange dauert das manchmal vom Start eines Projekts bis zur Veröffentlichung.
Du bist ganz schön viel herumgekommen, du warst auch noch in Zürich und London. Wo hat es dir denn am besten gefallen?
Ich glaube, Italien ist mein Herzensland, Japan fand ich aber auch unglaublich beeindruckend – ich bin jetzt erst nochmal dort gewesen. Ich war auch auf einer Konferenz in Indien und jetzt gerade auf einer Konferenz in Südafrika. Wenn man an Wissenschaft denkt, denkt man erst mal gar nicht so sehr daran, aber die Wissenschaft ermöglicht es einem wirklich die Welt zu sehen und mit Kollegen aus aller Welt zusammenzuarbeiten.
Und woran forschst du?
Ich forsche gerade an der „Maschine“, die wir Alle – und damit meine ich wirklichalle Lebewesen - in ihren Zellen haben und die die Proteine herstellt, die wir zum Leben brauchen. Diese „Maschine“ heißt Ribosom. Im Vergleich zu anderen Bestandteilen einer Zelle ist das Ribosom riesengroß und besteht selber aus 80 Proteinen. Das ist also eine „Maschine“, die Protein herstellt aber selbst aus Proteinen besteht, irgendwie verrückt oder?. Damit diese große Ribosom-Maschine entsteht, müssen diese 80 Proteine irgendwie zusammenfinden. Ich versuche rauszufinden, wie dieser Prozess funktionert.
Was sind eigentlich Proteine und mit welchen Proteinen forschst du?
Was sind Proteine – gute Frage! Proteine sind eigentlich die Bestandteile der Zelle, die sämtliche Aufgaben erfüllen. Im Zellkern der Zelle befindet sich die DNA, da sind alle Informationen darauf gespeichert. Diese Information der DNA wird auf die sogenannte RNA kopiert und anschließend baut das Ribosom anhand dieser Informationen die Proteine. Man kann sich das wie ein Rezeptbuch vorstellen, die Information ist das Rezept, das Ribosom die Köchin oder der Koch und die Protein das fertige Essen. Und Proteine machen wirklich alles, was ihr euch vorstellen könnt, jede Aufgabe, die in der Zelle ausgeführt werden muss. Genau an diesen Köchen forsche ich wie gesagt.
Wozu ist deine Forschung gut?
Erstmal um zu verstehen. Ich finde das Wichtigste ist eigentlich zu verstehen, wie Leben funktioniert. Wirklich ganz grundlegend, wie Zellen funktionieren. Das ist einfach erstmal nur Wissensgewinn, aber das an sich ist schon wichtig.
Was kann man aber praktisch mit meiner Forschung machen?
Die meisten Antibiotika zielen auf das Ribosom ab. Wenn man also Antibiotika nimmt, dann hemmen diese die Proteinproduktion . Dadurch kann man dann zum Beispiel Bakterien abtöten. Und wenn man besser versteht, wie sich das Ribosom zusammensetzt, kann man vielleicht auch gezielt Antibiotika entwickeln, die diesen Prozess inaktivieren. Meine Forschung hat also durchaus auch einen praktischen Nutzen in der Zukunft.
Was möchtest du denn in der Zukunft machen?
Das ist eine weite Frage (lacht)- Ich finde mein Projekt im Moment sehr interessant und würde das gerne weiter ausbauen, so dass ich am Ende eine Forschungsgruppe leiten kann, mit der wir dann in einem größeren Team mit vielen Wissenschaftlern an dieser Fragestellung weiterarbeiten können. Dazu entwickle ich im Moment auch eine neue Methode. In meiner eigenen Gruppe möchte ich dann die verschiedenen Elemente meiner wissenschaftlichen Laufbahnzusammenbringen.
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Katrina Meyer arbeitet im Labor von Matthew Kraushar.
Katrina Meyer ist Preisträgerin des Klar-Text-Preises der Klaus-Tschira-Stiftung. Ihren preisgekrönten Beitrag finden Sie hier.
Die DNA-Designerin
Interviewpartnerin: Alessa Ringel
Autoren: Jan Gärtner und Julius Gratopp
Hallo Alessa, woran forschst du denn gerade?
Ich arbeite gerade an einer neuen Technologie, die es uns ermöglichet DNA-Abschnitte synthetisch herzustellen und in Zellen einzubringen. Wir können am Computer DNA designen und hiervon Teile bestellen oder mit PCR selber herstellen. Diese können wir dann im Labor zusammensetzen, und anschließend versuche ich, diese großen Designer-DNA Abschnitte in das Genom von embryonalen Stammzellen einzubringen, was sehr knifflig ist.
Was haben Fehler in der DNA für einen Einfluss auf den Menschen?
Das ist eine wichtige Frage, die ich nicht so einfach beantworten kann, weil es davon abhängt, wo diese Fehler entstehen. Circa 2% von unserer DNA kodiert für Gene, also nur ein kleiner Anteil. Ein größerer Teil von den übrigen 98% ist für die Regulierung dieser Gene zuständig. Zum Beispiel gibt es dort An- und Ausschalter, die den Genen sagen, wann und in welchem Gewebe sie aktiv sein sollen. Fehler in unserer DNA entstehen häufig und die meisten werden repariert, aber einige können dauerhaft bleiben. Manche von diesen haben keine Auswirkungen, aber wenn ein Fehler, beispielsweise mitten in einem Anschalter entsteht und dieser seinem Gen plötzlich „Aus, Aus, Aus“ statt „An“ signalisiert, dann kann das Krankheiten verursachen, weil ein normalerweise aktives Gen auf einmal inaktiv ist.
Kann man Kindern mit Fehlern in der DNA helfen bzw. könnte man sie sogar heilen?
Das ist eine sehr komplexe Frage und ich hoffe, dass die Antwort in Zukunft ja ist. Vielleicht habt ihr schon mal von der DNA-Schere CRISPR gehört. Die erlaubt es uns Fehler zu korrigieren und seit kurzem kommen diese Scheren auch bei Therapien von Krankheiten zum Einsatz.
Was erwartest du mit deiner Forschung zu erreichen?
Ganz viel :) Ich hoffe, dass ich viele offene Fragen beantworten kann. Ihr könnt euch Forschung wie ein riesiges Puzzle vorstellen, das gefühlt nie fertig wird sondern immer weiter geht. Ich erwarte das ich durch meine Forschung immer wieder ein neues Puzzlestück an die richtige Stelle setzen kann und so zum Verständnis wie unsere Körper funktioniert beitrage.
Wie bist du auf das Biologie Studium gekommen?
Nach der Schule war mir nicht sofort klar, was ich machen möchte, aber ich wusste, dass ich Naturwissenschaften mag - Physik, Mathe, Bio. Ich habe mich am Ende dann dazu entschieden das Biologiestudium auszuprobieren und das war genau richtig, weil Forschung super ist.
Du warst auch in Frankreich, warum?
Ich war zwei Monate in Frankreich für meine Doktorarbeit, die ich hier am MPI für molekulare Genetik in Berlin gemacht habe. Die Forschung entwickelt sich ständig weiter und ist sehr komplex. Weil man nicht Experte in jeder Technologie sein kann, kollaborieren wir oft mit anderen Forschungsgruppen. In Frankreich war ich, um mir meine Proben unter einem hochauflösenden Mikroskop anzuschauen.
Warum wolltest du an der Harvard Universität studieren?
Ich wusste, dass ich für meine Masterarbeit ins Ausland gehen möchte, um eine andere Forschungskultur kennenzulernen. Ich habe mich an vielen unterschiedlichen Universitäten beworben, darunter auch an der Harvard Universität. Ich habe dann eine Zusage bekommen, und mich natürlich sehr gefreut. Dort hatte ich ein spannendes Projekt zum Syntheseweg von Häm, was unsere roten Blutzellen brauchen, um Sauerstoff zu transportieren.
Musstest du deinen Aufenthalt in Harvard selber finanzieren oder bekamst du ein Stipendium?
Also ich hätte mir einen Aufenthalt in den USA selbst nicht finanzieren können. Ob ich nach Harvard gehen konnte oder nicht, hing davon ab, ob ich ein Forschungsstipendium bekomme, was ich glücklicherweise erhalten habe.
Wo hat es dir am besten gefallen?
Das ist eine sehr, sehr schwere Frage. Ich weiß es nicht. Jede Arbeitsgruppe ist sehr unterschiedlich, und ich bin in vielen kleinen Arbeitsgruppen gewesen, wo ein Team nur aus 3-5 Leuten besteht wie beispielsweise in London wo ich am Malariaparasiten forschen durfte. In meiner jetzigen Gruppe sind wir fast 30 Leute, was den Vorteil hat, dass man miterlebt wie sich viele unterschiedliche Forschungsprojekte, entwickeln und das finde ich spannend.
Alessa Ringel arbeitet im Labor von Stefan Mundlos.
Mehr zu Alessas Forschung finden Sie hier.