Molekulare Grundlagen für Störungen des Zentrosoms bei Krebs identifiziert
Berliner Wissenschaftler identifizieren grundlegenden Faktor für die Entstehung zentrosomaler Defekte im Tumor
Störungen des Zentrosoms werden sehr häufig in Krebszellen gefunden und spielen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Weiterentwicklung von Krebs. Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik in Berlin ist es jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Österreich gelungen, ein Protein zu identifizieren, das direkt an der Entstehung von zentrosomalen Defekten in Krebszellen beteiligt ist. In der aktuellen Ausgabe von Nature Communications beschreiben Bodo Lange und seine Kollegen, dass die Menge des Proteins LGALS3BP im Zusammenhang mit Tumorentwicklung und der einhergehenden Defekte der Zentrosomen steht. Die Forscher hoffen, dass ihre Erkenntnisse die Entwicklung neuer Strategien für die Diagnose und Behandlung von Krebs ermöglichen werden.

Die Verringerung der Menge des Proteins LGALS3BP in U2OS-Zellen führt zu einer Ansammlung zentriolärer Strukturen (grün). Zentrosomale Defekte können sehr häufig in Krebszellen beobachtet werden.
Für Wachstum oder Erneuerung von lebendem Gewebe ist die Zellteilung unverzichtbar. Dabei werden die auf den Chromosomen befindlichen Erbanlagen innerhalb der Zellen verdoppelt und anschließend mit Hilfe der Zentrosomen gleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt. Ein Zentrosom besteht aus zwei Zentriolen, die von einer Proteinmatrix, dem perizentriolären Material (PCM) umgeben sind. Im Laufe der Zellteilung werden in der Zelle aus mikroskopisch kleinen Fasern, den sogenannten Mikrotubuli, mitotische Spindeln aufgebaut. Diese heften sich an die Chromosomen an und ziehen sie zu den entgegengesetzten Spindelpolen, die von den Zentrosomen gebildet werden. Die so gewährleistete gleichmäßige Verteilung der Erbanlagen ist für die genetische Stabilität der Zelle wichtig. Ist diese gestört, kann Krebs entstehen. Die molekularen Zusammenhänge zwischen Schäden am Zentrosom und der Entwicklung von Krebs sind jedoch weitgehend ungeklärt.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik haben jetzt in Zusammenarbeit mit Klinikern der medizinischen Universität Graz einen Faktor identifiziert, der für die Entstehung von Krebs in verschiedenen Geweben verantwortlich ist. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature Communications beschreiben die Forscher aus der Abteilung Analyse des Vertebratengenoms (Hans Lehrach), dass das an den Zentriolen lokalisierte Protein LGALS3BP häufig in Tumoren fehlreguliert ist und in diesen Zellen eine wichtige Rolle für den Aufbau der Zentriolen einnimmt. „Für die Zelle ist es enorm wichtig, dass sie genau die richtige Menge an LGALS3BP enthält“, erklärt Bodo Lange, Leiter der Projektgruppe, die die betreffenden Arbeiten durchgeführt hat. „Wenn zu viel LGALS3BP vorhanden ist, kommt es zu einer übermäßigen Bildung des PCMs. Zuwenig LGALS3BP führt dagegen zu einer Anhäufung überzähliger zentriolärer Strukturen. Beide Defekte konnten wir sowohl nach Manipulation im Zellkultursystem als auch in menschlichen Krebszellen nachweisen, in denen LGALS3BP im Zusammenhang mit der Krankheit stark fehlreguliert war.“
In verschiedenen Zellkultursystemen konnten die Forscher zeigen, welche Auswirkungen zuviel oder zuwenig LGALS3BP auf die Integrität der Zentrosomen hat. Tatsächlich ist es ihnen sogar gelungen, durch eine Normalisierung des LGALS3BP-Gehalts in Brustkrebszellen, die zuviel von diesem Protein enthalten, diese so zu beeinflussen, dass ihre Zentrosomen wieder denen in gesunden Brustepithelzellen glichen. Dies weist auf eine direkte Beteiligung des LGALS3BP an der Entstehung von zentrosomalen Defekten in Krebs hin. Die Wissenschaftler hoffen, dass sich aus ihren Erkenntnissen Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Strategien für die Diagnose und Behandlung von Krebs ergeben.
pm