Lange nicht-kodierende RNAs beeinflussen das Ablesen von Genen

Forscher entdecken neuen Mechanismus zur Regulation der Genaktivität

18. Februar 2013

Die Regulation der Genaktivität gehört zu den spannendsten Fragen der modernen Biologie. Wissenschaftler kennen bislang nur wenige Wege, über die die Funktion einzelner Gene an- oder ausgeschaltet werden kann. Jetzt hat eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern aus den USA, Deutschland und Spanien einen neuen Mechanismus beschrieben, über den die Aktivität von Genen beeinflusst werden kann. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ beschreibt Ulf Andersson Ørom, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin, gemeinsam mit Forschern aus dem Wistar Institute in Philadelphia, dem Children’s Hospital of Pennsylvania, der Universität von Colorado und dem Center for Genomic Regulation in Barcelona in Spanien, dass lange nicht-kodierende RNAs an den sogenannten Mediator-Komplex binden und dadurch dessen Bindung an die DNA sowie die Transkription verschiedener Gene ermöglichen.

Eine der Überraschungen bei der erstmaligen Entschlüsselung des menschlichen Genoms war die Tatsache, dass ein Mensch nur etwa 20.000 Gene besitzt – nicht viel mehr als ein Fadenwurm und deutlich weniger als der Wasserfloh. Allerdings ist nur ein kleiner Teil der gesamten Erbsubstanz DNA direkt an der Prokuktion von Proteinen beteiligt. Heute wissen wir, dass der größere, früher häufig als „junk“, also Abfall-DNA bezeichnete Teil ebenfalls Informationen enthält, die für die Funktion eines Organismus unerlässlich sind. Wie jedoch werden die einzelnen Gene an- oder ausgeschaltet? Wer bestimmt, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Gewebe ein bestimmtes Gen aktiv ist? Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass ein großer Teil der nicht-kodierenden DNA für die Regulation der Gene erforderlich ist. 1981 wurden erstmalig kurze nicht-kodierende DNA-Abschnitte mit charakteristischer Basenabfolge beschrieben, die die Transkriptionsaktivität von Genen verstärken können. Diese sogenannten Enhancer binden Proteinkomplexe und können so die Gentranskription einleiten. Entscheidend für ihre Funktion ist die räumliche Orientierung der Enhancer zu dem Gen, dass sie beeinflussen. Enhancer können bis zu einer Million Basenpaare von Beginn eines Genes entfernt auf dem DNA-Strang angeordnet sein, sich aufgrund der dreidimensionalen Faltung der DNA aber durchaus im Anfangsbereich des betreffenden Gens befinden. In 2010 konnten Ørom und seine Kollegen eine weitere Gruppe von nicht-kodierenden DNA-Abschnitten identifizieren, die ihre Funktion jedoch erst nach der Transkription entfalten. Diese als nicht-kodierende RNA-aktivierend (ncRNA-a) bezeichneten Moleküle verbleiben auch nach der Transkription im Zellkern und beeinflussen ähnlich wie die Enhancer die Aktivität von Genen. „Jetzt ist es uns gelungen, die genaue Funktionsweise diese Enhancer-ähnlichen (enhancer-like) aufzuklären“, erläutert Ørom seine Ergebnisse. „Im Gegensatz zu den fest in den DNA-Strang eingebundenen Enhancern können sich die ncRNA-a innerhalb des Zellkerns bewegen und dadurch auch Gene beeinflussen, die sich an sehr weit entfernten Positionen des DNA-Strangs befinden.“ Die neuen Ergebnisse zeigen, dass ncRNA-a an den Mediator binden, einen großen Mulitprotein-Komplex, der beim Menschen für die Funktion zahlreicher Enhancer erforderlich ist. Die Ergebnisse vertiefen unser Verständnis der Funktion von Enhancern im Organismus und der Genregulation insgesamt.

[pm]

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